Lokomotivfabriken in Deutschland


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Übersicht Lokomotivhersteller

Die Entwicklung der Lokomotivfabriken in Deutschland

Bereits 1814 hatte Johann Friedrich Krigar in England die Zahnrad-Dampflokomotive von John Blenkinsop und Matthew Murray besichtigt und diese in der Staatlichen Eisengießerei Berlin eine Jahr später nachbauen lassen. Sie sollte auf einer Grubenbahn in Oberschlesien eingesetzt werden. Eine weitere Lok folgte 1818 für eine Grubenbahn an der Saar. Es waren die ersten beiden in Deutschland gebauten Lokomotiven, die in der Literatur später fälschlicher Weise als nicht einsatzfähig bezeichnet werden. Wer möchte auch schon an dem schönen Bild der "ersten deutschen Eisenbahn" rütteln, deren geschmückter Zug mit festlich gekleideten Ehrengästen besetzt ist und dessen Lokführer über allen Dingen stehend mit Frack und Zylinder die Lokomotive bedient. Das paßt halt besser, als ein mit Ruß und Kohle verschmierter Grubenzug irgendwo abseits zwischen einer Grube und einer Fluß-Verladestelle. Die beiden in Berlin gebauten Maschinen stehen aber am Anfang einer Industrie, die sich in Deutschland besonders umfangreich und vielfälltig entwickelt.

Die ersten öffentlichen Bahnen in Deutschland werden noch mit importierten Lokomotiven betrieben, aber schon nach wenigen Jahren hat man durch den Nachbau solcher Maschinen genügend Erfahrung gesammelt und auch eigene Verbesserungen gefunden. Die SAXONIA, die 1839 bei der Maschinenfabrik Uebigau entsteht, ist die erste, im Betrieb auch eingesetzte Dampflok in Deutschland. Weitere Maschinen entstehen um 1840 in anderen Werkstätten (Kufahl, Rabenstein & Co., Buckau, Egells u.a.), meist ist der Bau einer Lok aber nicht mehr als nur eine kurze Episode in der Firmenchronik. Ausnahmen sind die auch in den späteren Jahren noch erfolgreichen Werk wie Borsig (1841), die Maschinenfabrik Kessler & Martiensen (1841) und J.A. Maffei (1844). Es folgen wenige Jahre später Maschinenfabrik & Eisengießerei Georg Egestorff (später HANOMAG) (1846), Hartmann (1846) und Henschel & Sohn (1848).

1815: Skizze der ersten Lokomotiven der Eisengießerei Berlin. 1839: Uebigau "SAXONIA" 1844: Maffei "BAVARIA"

1855: Erste Lok der Union Gießerei. 1861: Feldbahndampflok der Heilbronner Maschinenbau-Gesellschaft 1897: Elektrische Grubenlok der UEG.

Mit dem rasant wachsenden Eisenbahnnetz nehmen in den folgenden Jahren mehrere bereits in anderen Sparten arbeitende Werke den Lokbau auf, um den enormen Bedarf an Lokomotiven zu decken. In Ostpreußen waren Union (1855) und Schichau (1860) bereits im Schiffsbau tätig, ebenso die Vulcan-Werft (1859). Die spätere BMAG vormals Louis Schwartzkopff (1867) hatte schon Erfahrung im Bau von Eisenbahnausstattungen. Krauss (1867) ist hingegen ein "Neuling", der allerdings schon sehr schnell auf den jetzt auch deutlich steigenden Bedarf an Lokomotiven für Gruben- und Werkbahnen reagiert.

Auch für den Bahnbau selbst werden immer häufiger Feldbahnen eingesetzt. Auf solche Lokomotiven hat sich schon sehr früh die Heilbronner Maschinenbau-Gesellschaft (1861) und die Maschinenfabrik Darmstadt (1861) konzentriert. Als in Frankreich durch Decauville die vielfältigen Möglichkeiten von leichten Feldbahndampflokomotiven aufgezeigt werden, entstehen weitere Hersteller wie Jung-Jungenthal GmbH (1885), Hagans (1872) und Orenstein & Koppel (1892), letzterer hatte zuvor schon Feldbahnmaterial geliefert.

Auch in Gruben versucht man untertage, Pferde durch Lokomotiven zu ersetzen. Dies können durch die Rauchentwicklung keine Dampflokomotiven sein, hier kommen ab 1882 die ersten elektrischen Lokomotiven von den Siemens-Schuckert-Werken ebenso zum Einsatz wie die ersten mit Verbrennungsmotor angebtriebenen Schienenfahrzeuge der Motorenfabrik Deutz AG (1897), Ruhrthaler (1906) und der Oberurseler Motorenfabrik (1901). Die Wirtschaft boomt und die Produktion wird zusehends gesteigert. Auch der I. Weltkrieg kann diese Entwicklung bei den Lokherstellern nicht aufhalten. Im Gegenteil, die Stückzahl der monatlich ausgelieferten Dampf- wie auch Motorlokomotiven, zum größten Teil für die Heeresfeldbahn bestimmt, steigt auf später z.T. nie wieder erreichte Rekorde.

1902: Feldbahnmotorlok der Maschinenfabrik Oberursel 1913: Normalspur-Motorrangierlok der Ruhrthaler Maschinenfabrik. 1926: Einheitslokomotive der Baureihe 01.

1929: Breuer Rangiertraktor Typ IV 1931: Kleinlokomotive von Jung für die DRG. 1936: Kleinlokomotive von Ardelt.

Nach dem Ersten Weltkrieg nehmen auch Werke der Rüstungsindustrie wie Krupp AG, Rheinmetall und die Deutschen Werke Kiel den Lokbau auf um die frei gewordenen Kapazitäten zu nutzen. Noch werden neue Lokomotiven gebraucht um die Kriegsverluste und Reparationen auszugleichen. Die 1920 gegründete Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft DRG beginnt mit der Entwicklung der Einheitslokomotiven, um die Typenvielfalt der von den Länderbahnen übernommen Lokomotiven zu reduzieren. Diese Einheitslokomotiven, u.a. die Baureihen 01, 24, 44, 64, 80 und 86, werden ab 1925 geliefert. Doch im Vergleich zu den bis dahin gebauten Länderbahnlokomotiven ist das Auftragsvolumen nur gering: Lag die Anzahl der von 1920 bis 1924 an die DRG gelieferten Lokomotiven noch bei weit über 7.500 Stück, so folgten von 1925 bis 1929 mit 731 Maschinen weniger als ein Zehntel der früheren Lieferungen.

Die 1929 hereinbrechende Wirtschaftskrise tut ihr übriges, da jetzt auch noch die ausländischen Märkte wegfallen. Die vorher ausgelasteten Fabriken hatten zum Teil noch Anfang der 1920er Jahre verständlicher Weise Investitionen getätigt (z.B. das 1922 in München-Allach begonnene Krauss-Zweigwerk), jetzt stehen die manchmal noch nicht abbezahlten Maschinen still und viele Geldgeber fordern ihre Kredite zurück. Überleben können dies nur die Werke, die relativ unabhängig von den Staatsbahnlieferungen sind (Jung, O&K), durch Konzernzugehörigkeit noch andere Beschäftigung finden (Krupp) oder durch ihre Größe kleinere Wettbewerber verdrängen oder übernehmen (Henschel, AEG). Maffei und Krauss schließen sich zur Krauss-Maffei AG zusammen, "auf der Strecke bleiben" auch große renomierte Hersteller wie die HANOMAG, Hartmann, Vulcan und Union.

Eine entgegengesetzte Entwicklung gibt es auf dem Sektor der Lokomotiven mit Verbrennungsmotor. Mittlerweile ist besonder der Dieselmotor einsatzreif für Feld- und Grubenlokomotiven sowie für kleine Rangierlokomotiven - und er ist wesentlich wirtschaftlicher als die Dampflokomotiven in diesen Bereichen. So gibt es in den 1920er Jahren gerade zu einen Boom an neuen Motorlokherstellern: DEMAG, DIEMA, SCHÖMA, Breuer GmbH und die Ardelt-Werke GmbH. Bei weiteren unzähligen kleinen Firmen ist nicht ganz klar, ob und in welchem Umfang sie Lokomotiven bauten. Weitere bereits bestehende Lokfabriken nehmen den Bau solcher Lokomotiven mit in ihr Fertigungsprogramm auf (Jung, Henschel, Krupp, Maffei, BMAG).

Im Laufe des II. Weltkriegs wird der Lokomotivbau dem Hauptausschuß Lokomotiven unterstellt und festgelegt, welche Loktypen als kriegswichtige Lieferungen gebaut werden dürfen. Die gleichzeitig geforderten hohen Stückzahlen kann die landeseigene Lokomotivindustrie nicht erfüllen und so müssen auch die über 20 okkupierten Lokomotivfabriken in den besetzten Gebieten die sg. "Kriegslokomotiven" bauen.

Nach dem II. Weltkrieg tritt der Verbrennungsmotor seinen Siegeszug an, die Dank der weiter entwickleten Strömungsgetriebe jetzt auch mit hohen Leistungen im Schienenfahrzeugbau eingesetzt werden können. So werden jetzt auch leistungsstarke Dampflokomotiven vollständig von Diesellokomotiven verdrängt. Bei den leistungsschwächeren Dampflokomotiven fällt zumeist das Einsatzgebiet, sprich die vielen Neben- und Privatbahnen, einfach weg, da der Straßenverkehr diese Aufgabe übernimmt.

In Ostdeutschland bleibt, im Vergleich zu Westdeutschland, der Bahn aber weiterhin ein größerer Stellenwert erhalten und da nur zwei große Lokhersteller, LEW (Nachfolger von AEG) und LKM (O&K, Werk Babelsberg), hier produzieren, ist die Auslastung dieser beiden Werke besonders in den 1950er Jahren immer an der oberen Grenze des Machbaren. Die Umstellung von Dampf- auf Dieseltraktion wird deshalb auch durch Importe, u.a. aus der UdSSR, unterstützt. Mitte der 1970er Jahre wird der Lokbau beim LKM zugunsten der Produktion von Straßenkränen aufgegeben, obwohl weithin auch Bedarf an den hier gebauten Rangierlokomotiven besteht. Zum einen erfolgen nun auch hier ab 1977 Importe aus der UdSSR (Kaluga), zum anderen nimmt das RAW Meiningen vor dem Hintergrund der Einsparung von Dieselkraftstoff 1984 den Bau von 200 feuerlosen Dampflokomotiven nach LKM-Muster auf. Dieses Bauprogramm ist 1988 planmäßig beendet, der Import von Kaluga-Lokomotiven endet mit der "Wende" Ende 1989. Nach der Wiedervereinigung schlossen sich der LEW und AEG 1992 unter dem Namen "AEG Schienenfahrzeuge GmbH, Hennigsdorf" wieder zusammen.

1952: LEW Type EL 2. 1967: LKM Typ V 22 B. 1984: RAW Meiningen Typ FLC.

1969: Zweiwege-Unimog. 1975: Henschel-Rangierlokomotive nach BDE-Standard. 2003: Bombardier TRAXX Mehrsystem-Lokomotive .

In Westdeutschland verdrängt das ab den 1950er Jahren immer besser ausgebaute Straßennetz die Eisenbahn in vielen Gebieten und Aufgabenbereichen, da man innerbetriebliche wie auch Langstrecken-Transporte auf Lastwagen verlagert. Nach der vollständigen Umstellung von Dampf- auf Diesel- und E-Lok werden so nur noch wenige neue Lokomotiven benötigt. Elektrische Lokomotiven können fast nur an Staatsbahnen im In- und Ausland in geringen Stückzahlen verkauft werden. Ausnahme bilden elektrische Grubenlokomotiven, das "Zechensterben" hat aber auch hier den Markt stark schrumpfen lassen. Kleine Rangier-Diesellokomotiven werden ab den 1970er Jahren immer häufiger durch den schienengängigen Zweiwege-Unimog (u.a. Beilhack, Ries, Zweiweg Schneider und Zagro) verdrängt, zur selben Zeit erfolgen auch die letzten umfangreicheren Lieferungen von Strecken-Diesellokomotiven an die DB. So stellen einige Werke den Lokbau ein (Deutz-KHD, Esslingen, O&K, Jung), da keine ausreichenden Stückzahlen mehr gebaut werden können. Die anderen Hersteller versuchen durch Rationalisierung, z.B. BDE-Baugruppen, die Kosten zu senken und auch wenige Lokomotiven wirtschaftlich zu produzieren.

Zur Rationalisierung gehören auch Firmenzusammenschlüsse, so bilden sich bis zum Anfang der 1990er Jahre drei große Konzerne Siemens, AEG-Daimler-Benz und ABB. Die Fusion von ABB und AEG zur Adtranz 1996 und die Umstrukturierung zur DaimlerChrysler Railsystems GmbH setzt den vorläufigen Schlußpunkt unter diesen Prozeß. Zwar gehörte DaimlerChrysler, neben Siemens, GEC Alsthom (seit 1998 Alstom) und Bombardier, auch weltweit zu den größten Systemanbietern in Bereich Schienenfahrzeugtechnik, jedoch blieb dieses Geschäftsfeld trotz reichlicher Aufträge immer defizitär. So wird am 1. Mai 2001 der Bereich Schienenfahrzeuge des DaimlerChrysler-Konzerns von dem Kanadischen Unternehmen Bombardier übernommen. Zu den wichtigsten Lokomotivherstellern in Deutschland gehören damit Bombardier Transportation, Siemens Verkehrstechnik SVT (mit 75% Anteil an Krauss-Maffei) und Vossloh Schienenfahrzeugtechnik VSFT. Hinzu kam 2006 die schon seit 1932 als Zulieferer der Lokomotivindustrie bekannte Voith GmbH, welche nun auch eigene Strecken- und Rangier-Diesellokomotiven fertigt, diesen Geschäftsbereich allerdings 2014 schon wieder aufgeben musste.

Zum 31. Mai 2020 ist das chinesische Unternehmen CRRC Zhuzhou Locomotive Co., Ltd. mit Übernahme des Vossloh-Werk in Kiel in den deutschen Lokomotivbau eingestiegen. Die Bahnsparte von Bombardier ging hingegen zum 29. Januar 2021 an den französischen Hersteller Alstom.

Folgende Firmen in Deutschland liefern auch 2024 noch Lokomotiven:

  1. Alstom, Kassel (ehem. Bombardier)
  2. FEBA Mandelartz Bahntechnik, Rommerskirchen
  3. Gmeinder Lokomotiven GmbH (Zagro Group), Mosbach
  4. Schalke Locomotives GmbH, Gelsenkirchen (ehem. Schalker Eisenhütte)
  5. Schöma Lokomotiven - Christoph Schöttler Maschinenfabrik GmbH, Diepholz
  6. Siemens, Division Rail Systems, München
  7. Vollert Anlagenbau GmbH, Weinsberg
  8. CRRC Zhuzhou Locomotive Co., Ltd., Kiel (ehem. Vossloh)
  9. Windhoff Bahn- und Anlagentechnik GmbH (Georgsmarienhütte Unternehmensgruppe), Rheine

In den deutschen Lokfabriken sind bis heute (Dezember 2023) nachweislich über 280.000 Lokomotiven gebaut worden. Natürlich können in diesem Text nicht alle Hersteller genannt werden, einige spielten auch überhaupt keine "große Rolle". Alle Hersteller sind in der Liste der Lokomotiv-Hersteller aufgeführt und die Übersicht über die Vollständigkeit der Lieferlisten gibt einen Überblick, in welchem Umfang die jeweiligen Lieferungen bekannt sind.

 


 

Das Ziel dieser Seiten

Das Ziel dieser seit 1998 online verfügbaren Seiten ist einen möglichst kompakten und vollständigen Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Schienenfahrzeugbaus in Deutschland und die miteinander verflochtenen Firmengeschichten zu geben. Anregungen, Wünsche und Tipps zur besseren Gestaltung sind sehr willkommen.

Gleichzeitig soll hiermit auf vorhandene Lücken in den Firmengeschichten, aber auch in den Lieferlisten selbst, hingewiesen werden. Ergänzungen, Berichtigungen oder Hinweise auf weiterführende Unterlagen in Archiven bzw. Literaturangaben, ebenso Sichtmeldungen von Lokomotiven und Lokomotivlisten, sind sehr willkommen. Einfach eine Mail an mail@lokhersteller.de.

Nach nunmehr 25 Jahren sind mittlerweile viele Lücken geschlossen und Fehler beseitigt. Zum Jubiläum wurden alle Seiten und Museums- und Lieferlisten auf den aktuellen Stand (soweit möglich zum Ende 2023) gebracht.

 

Himmelpforten, im Januar 2024
Jens Merte

 


 

Literatur zum Thema

Die folgenden Literatur enthält umfangreiche Informationen zum Lokomotivbau in Deutschland:

Weitere Quellenangaben finden sich bei der Firmengeschichte der einzelnen Herstellern.

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